Jenny trägt am liebsten rosafarbene Prinzessinnenkleider und spielt stundenlang in ihrer kleinen Küche? Und Andreas wälzt sich am liebsten durch den Schlamm, während er mit seinen Kumpels Ritter spielt? Seien wir doch mal ehrlich, wenn wir an Mädchen oder Jungs denken, schieben wir sie automatisch in bestimmte Rollenklischees. Es wird Zeit daran etwas zu ändern, sagen Anhänger der geschlechtsneutralen Erziehung. Von denen gibt es immer mehr. Was eine geschlechtsneutrale Erziehung ist und wie sie funktionieren kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was versteht man unter einer geschlechtsneutralen Erziehung?
Ist es Ihr erstes Kind? Und neben Fragen zu Themen, wie, wann die ersten Zähnchen kommen, interessieren Sie sich für eine geschlechtsneutrale Erziehung? Bei einer geschlechtsneutralen Erziehung steht das Kind im Mittelpunkt, und zwar als Kind und nicht als Mädchen oder Junge. Ziel der geschlechtsneutralen Erziehung ist es, dem Kind so wenige Geschlechterstereotypen wie nur irgend möglich, vorzuleben und mitzugeben. Das Kind soll sich frei entwickeln können und selbst entscheiden, wie es leben möchte. Ganz unabhängig von den Erwartungen der Gesellschaft. Denn manchmal möchte ein Mädchen lieber wie ein Junge sein und ein Junge lieber wie ein Mädchen. „Ich war eher der Winnetou- als der Hanni-und-Nanni-Typ. Zur Kindergartenzeit wollte ich ein Junge sein, hatte kurze Haare, langweilte mich beim Barbies-Anziehen-und-Kämmen und spielte lieber mit meinem Bruder und seinen Freunden im Wald Musketiere. Beim Fechten mit den Ästen holte ich mir blutige Daumen, beim Klettern am Hang zerrissene Jeans. Ich weiß noch, dass ich daheim bitterlich geweint habe, weil ich Mädchensein doof fand.“, beschreibt Barbara Lang in Ihrer Kolumne für die BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER ihre Gefühle als Mädchen. Bei der geschlechtsneutralen Erziehung geht es darum, es dem Kind zu überlassen, was es sein möchte. Zusätzlich geht es um Chancengleichheit und darum, den Menschen immer mit Respekt zu begegnen. Auch wenn Andreas am liebsten mit Puppen spielt und Jenny mit Spielzeugautos.
Geschlechtsneutrale Erziehung im Alltag
Es gibt einige Dinge, die Sie beherzigen können, wenn Sie Ihr Kind geschlechtsneutral erziehen wollen. Im Folgenden stellen wir Ihnen ein paar davon vor.
Geschlechtsneutrale Kleidung
Wussten Sie, dass die Farbe „blau“ bis ins 19. Jahrhundert als Farbe der Jungfrau Maria zugeschrieben wurde und Mädchen deshalb vor allem in Blau gekleidet waren? Dieses Beispiel zeigt, dass die Farbzuweisung von rosa zu Mädchen und blau zu Jungen menschengemacht ist. Fangen Sie schon bei der Auswahl der Kleidung mit der geschlechtsneutralen Erziehung an. Kaufen Sie vor allem Kleidung in neutralen Farben. Denken Sie auch daran, Ihre Familie, Freunde und Bekannte über Ihre geschlechtsneutrale Erziehung zu informieren, damit diese zum Beispiel bei Geschenken zur Geburt darauf Rücksicht nehmen können. Übrigens, sollte Ihr Sohn auf die Idee kommen, dass er Röcke oder Kleider tragen möchte. Lassen Sie ihn! Wer hat festgelegt, dass nur Mädchen Kleider tragen dürfen?
Geschlechtsneutrales Spielzeug
Sind Sie schon einmal in der Kinderabteilung eines Kaufhauses gewesen? Für Anhänger der geschlechtsneutralen Erziehung ist das das Tor zur Hölle. Hier wird strikt zwischen Spielzeug für Jungen und Spielzeug für Mädchen getrennt, meist auch farblich. Versuchen Sie sich aus Rollenklischees zu befreien und lassen Sie Ihr Kind mit dem Spielzeug spielen, mit dem es wirklich spielen will. Denn Bauklötze sind nicht nur für Jungen da und Puppen nicht nur für Mädchen.
Sind Sie auch mit den Klassikern von Disney aufgewachsen? Den Filmen, wo propagiert wird, dass Schönheit das wichtigste Qualitätsmerkmal ist? Und wo Frauen wie Schneewittchen übergriffig von Prinzen geküsst werden? Sie müssen bei einer geschlechtsneutralen Erziehung diese Filme nicht aus Ihrem Repertoire streichen. Reden Sie mit Ihrem Kind über die Rolle der Protagonisten. Klären Sie gemeinsam, was der Prinz hätte besser machen können und andere Fragen.
Geschlechtsneutrale Sprache
Wie so oft sind die skandinavischen Länder Vorreiter in Sachen geschlechtsneutraler Erziehung. Es gibt dort zum Beispiel einen Kindergarten in Stockholm, der für alle Kinder das geschlechtsneutrale Pronomen „hen“ benutzt. Im Deutschen gibt es leider kein vergleichbares Pronomen, es gibt aber andere Ansatzpunkte für mehr Geschlechter Neutralität in der deutschen Sprache. Wenn Sie über andere Kinder sprechen, benutzten Sie nicht die Wörter „Jungen“ oder „Mädchen“, sondern bleiben Sie bei dem Wort „Kind“. Eine andere Möglichkeit ist, in der Sprache zu gendern, um dadurch Vielfalt zu suggerieren.
Mögliche Grenzen der geschlechtsneutralen Erziehung
Geschlechtsneutrale Erziehung ist eine moderne und aufgeschlossene Form der Erziehung. Allerdings stößt sie mancherorts an ihre Grenzen. So ist es möglich, dass Ihr Kind mit dem Besuch im Kindergarten, auf Rollenklischees trifft. Dort gibt es dann eine Puppenecke für Mädchen und ein Straßenteppich für Autos für Jungen. Auch die eigene Persönlichkeit des Kindes kann eine geschlechtsneutrale Erziehung erschweren. Ein Junge, der Kleider oder Röcke anzieht, ist in unserer Gesellschaft noch nicht anerkannt und wird vermutlich mit Spott und Mobbing konfrontiert werden. In den Augen einer Gesellschaft „anders zu sein“ erfordert sehr viel Selbstbewusstsein.
Fazit: Die geschlechtsneutrale Erziehung findet immer mehr Anhänger. Es gibt einige Dinge, die Sie tun können, um Ihr Kind geschlechtsneutral zu erziehen. Sie werden aber merken, dass Sie an Grenzen stoßen werden. So ist Kleidung selten neutral, sondern spezifisch auf Jungen und Mädchen zugeschnitten. Es lohnt sich trotzdem, am Ball zu bleiben. Der Lohn: Chancengleichheit, Respekt und Akzeptanz.